Plastikmüll wird oft nicht korrekt entsorgt und verschmutzt so die Umwelt.

Umweltverschmutzung

Lösen Bakterien und Pilze unser Plastikproblem?

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AUTOR/IN
Constantia Bernhardt

Jedes Jahr fallen auf der Welt Unmengen an Plastikmüll an. In China wurden nun mehr als 200 Mikroorganismen entdeckt, die Plastik besiedeln und zerkleinern können - das Plastikproblem lösen sie aber nicht.

Forschende der Landwirtschaftlichen Universität Nanjing haben Kunststoffabfälle im ostchinesischen Dafeng auf plastikabbauende Mikroorganismen untersucht. Das Ergebnis veröffentlichten sie in einer Studie: Insgesamt hatten sich 184 plastikzersetzende Pilzarten und 55 Bakterienstämme auf den Kunststoffproben angesiedelt und dort eine sogenannte "Plastisphäre" gebildet - ein Ökosystem auf Plastik.  

Von der Salzwiese ins Labor

Die Kunststoffproben wurden in den Salzwiesen Dafengs gesammelt. Das von der UNESCO geschützte Feuchtgebiet liegt an der Küste des Gelben Meeres. Irina Druzhinina, Forschungsleiterin für Fungal Diversity and Systematics bei den Royal Botanic Gardens Kew, hat selbst an der Studie mitgewirkt. Sie erläutert die Standortwahl: "In unserer Studie haben wir uns für dieses Ökoton, also den Übergang zwischen den Ökosystemen Meer und Boden entschieden, weil es aufgrund seiner einzigartigen Eigenschaften ein wenig an die Meeresumwelt erinnert, aber wesentlich reicher an Kohlenstoff und anderen Nährstoffen ist."

Das Forschungsgebiet in Dafeng ist vor allem wegen der Salzwiesen interessant.
In den Salzwiesen Dafengs wurden über 200 Mikroorganismen auf Plastikmüll entdeckt.

Das Team sammelte an drei Stellen des Gebietes insgesamt 50 Plastikmüll-Proben. Im Labor ermittelten die Wissenschaftler mittels der Methode des DNA-Metabarcodings, welche Arten von Mikroorganismen sich auf den Kunststoffabfällen angesiedelt hatten. Bei dieser Methode wird die Art anhand charakteristischer Erbgutsequenzen bestimmt. Anschließend untersuchte das Forschungsteam, ob und welche Kunststoffe die gefundenen Pilze und Bakterien zersetzen können.

Über 200 PCL-abbauende Mikroben gefunden

Alle in den Proben gefundenen Stämme sind ersten Tests zufolge dazu in der Lage, den Kunststoff Polycaprolacton (PCL) abzubauen. PCL ist ein selten verwendeter Biokunststoff auf der Basis von Erdöl. Derzeit entfällt auf Biokunststoffe nur ein geringer Marktanteil von etwa einem Prozent des Weltmarkts für Kunststoffe. PCL kommt häufig bei der Herstellung verschiedener Polyurethane zum Einsatz. Aus Polyurethan werden zum Beispiel Wundauflagen, Dichtungen, Lacke und vieles mehr hergestellt.

Laut Druzhinina war die Entdeckung von Bakterien und Pilzen, die Polycaprolacton abbauen können, nicht unerwartet. Es ist schon länger bekannt, dass die Genome von Pilzen und Bakterien für vielversprechende Enzyme kodieren, die zum Kunststoffabbau beitragen könnten. Die Anzahl von über 200 Mikroorganismen, die in dieser Studie entdeckt wurden, übertraf jedoch Druzhininas ursprüngliche Erwartungen.

Im Forschungsgebiet wurden 50 Plastikmüll-Proben eingesammelt, darunter eine Quietscheente.
Im Forschungsgebiet wurden 50 Plastikmüll-Proben eingesammelt.

PCL-Abbau von geringer Bedeutung

Die Fähigkeit der gefundenen Pilze und Bakterien PCL abzubauen, kommt von der starken chemischen Ähnlichkeit zwischen dem Biokunststoff und der äußersten Schicht von Pflanzen. Christian Sonnendecker vom Institut für Analytische Chemie der Universität Leipzig meint hierzu: "Diese Organismen haben mit hoher Wahrscheinlichkeit diese Enzyme nicht für den Plastikabbau entwickelt, sondern um pflanzliches Gewebe abzubauen.“

Es wurde in der Studie nicht untersucht, ob die Mikroorganismen das abgebaute PCL verwerten. Möglicherweise wurde es nur in kleinere Bausteine zerlegt. Man geht davon aus, dass Mikroorganismen nicht in der Lage sind, Kunststoffe vollständig zu zersetzen. Mikroplastikpartikel können zwar kontinuierlich kleiner, aber nicht vollständig abgebaut werden. 

Ähnlichkeit zu Pflanzenoberfläche

Sonnendecker erklärt die hohe Besiedlungsdichte des Plastiks mit dessen Materialbeschaffenheit: "Es gibt Mikroorganismen, die sich gerne auf hydrophoben, also auf wasserabweisenden Oberflächen anlagern. Das können nicht alle Mikroorganismen gut."

Auch Druzhinina stellt dazu fest, dass die Besiedlung von Plastik für Mikroben keine besondere Herausforderung darstellt. Zellulose, der Hauptbestandteil der pflanzlichen Zellwände, ist ebenfalls hydrophob und der eigentliche Lebensraum für Mikroorganismen.

Plastikkrise wird mit Mikroorganismen nicht überwunden

Sonnendecker warnt davor, das Studienergebnis als Lösung für die Plastikkrise anzusehen: "Die Hoffnung, dass jetzt die Mikroben unser Müllproblem im Meer lösen, bleibt leider nur Hoffnung." Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Mikroorganismen auf dem Plastik haften. Die Frage, ob sie das Plastik verwerten und nutzen können, muss Sonnendecker verneinen. Mikroorganismen würden nicht die nötigen Stoffwechselwege aufweisen, um das Plastik in Energie umzuwandeln.

Dass die Mikroorganismen eines Tages doch in der Lage sind, Plastik zu "essen", schließt er jedoch nicht aus. "Da ist der evolutionäre Weg nicht mehr weit“, findet Sonnendecker. Die Wahrscheinlichkeit sei bei solchen Organismen am höchsten, dass sie später einmal evolutionär dazu getrimmt werden, Plastik zu konsumieren.

In einer Petri-Schale wurde eins der 55 gefundenen Bakterien kultiviert.
Die gefundenen Bakterien, hier eins der Art Jonesia, wurden auf ihre plastikabbauende Fähigkeit untersucht.

Neue Technologien und ein verantwortungsvoller Umgang

Die Studienergebnisse legen nahe, dass Mikroorganismen in der Lage sind, pflanzenähnliche Kunststoffe abzubauen. Sonnendecker sieht die Ergebnisse als Chance für ein Umdenken im Plastikkonsum. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Kunststoffen sei wichtig. Er ist der Meinung, die Natur könne mit Kunststoffen umgehen. "Da ist es ein einfacher Schritt, die Kunststoffe einfach so zu designen, dass sie vor allem eine hohe und gute Recyclingfähigkeit aufweisen", findet Sonnendecker. Der einfachste Weg wäre, die Kunststoffe so zu entwerfen, dass sie auch biologisch abbaubar sind. Anschließend wäre es sinnvoll, so manches Massenplastik gegen andere Plastikarten zu ersetzen.

Auch Druzhinina sieht für die Zukunft die Entwicklung mehrerer Technologien, mit denen das Problem des Plastikmülls angegangen werden kann. "Unsere Ziele sind vielfältig und reichen vom Recycling von Kunststoffabfällen bis zur Verringerung der Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt", erzählt sie.

Auch in Deutschland und der Schweiz wird dazu geforscht

Nicht nur in China wurden bisher plastikzersetzende Mikroorganismen gefunden. Ein Forscherteam aus der Schweiz hat kürzlich in einer Studie eine interessante Entdeckung gemacht: Sie identifizierten mehrere plastik-zersetzende Bakterienstämme in den Alpen und der Arktis.

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